Warum MGM-Chef Harry E. Sloan nicht in Louis B. Mayers Fußstapfen schlüpfen kann


Über das alljährliche Sommerloch wird viel geschrieben. Da schaffen es Nachrichten auf die erste Seite, die eigentlich keine sind. Möchte man als Unternehmen positive Signale aussenden, die nachrichtenarme Zeit ist dafür besonders geeignet. Dies gilt auch für die US-amerikanische Filmindustrie.

Denn das auf und ab des Filmstudios Metro-Goldwyn-Mayer (MGM) geht weiter. Am 4. August wurde die Vertragsverlängerung mit dem Chairman und Chief Executive Officer (CEO) Harry E. Sloan bekannt gegeben. Seit 2005 ist er im Amt und darf nun drei weitere Jahre die Ausrichtung des Filmunternehmens steuern.

Sloan übernahm sein Amt in einer der schwächsten Phasen des Unternehmen. 2005 kaufte ein Konsortium bestehend aus Providence Equity Partners (29 Prozent), TPG (21 Prozent), Sony Corporation of America (20 Prozent), Comcast (Prozent), DLJ Merchant Banking Partners (7 Prozent) und Quadrangle Group (3 Prozent) das Unternehmen. Der damalige Kaufpreis in Höhe von 4,8 Milliarden Dollar wurde nur durch einen Bieterwettstreit zwischen von der Sony Corporation geführten Konsortium und dem Time Warner-Konzern erzielt. Der wertvollste Besitz des Unternehmens war die riesige Filmbibliothek. Sony sicherte sich das Unternehmen und setzte sich im Kampf der beiden DVD-Weiterentwicklungen HD-DVD und Blu-ray durch. Die rund 4.100 Filme und über 10.000 Fernsehepisoden spielten dabei eine entscheidende Rolle.
MGM wurde daraufhin drastisch verkleinert. Die nordamerikanische Kinoverleihtochter und die eigenen Home Entertainment-Dependancen wurden eingestampft. Sony übernahm die Vertrieb der noch ausstehenden Kinofilme durch seine Tochter Sony Pictures Entertainment und auch die Home Entertainment-Rechte wurde weltweit von Sony Pictures Home Entertainment.

Doch mit der Auswertung der Filmbibliothek tat sich Sony schwer und die anderen Gesellschafter suchten sich einen neuen Vertriebspartner. Die zum Rupert Murdoch-Konzern News Corporation gehörende 20th Century Fox wurde mit der Auswertung beauftragt.

Obwohl sich MGM nach dem Aufkauf aus dem Kinoverleih zurückzog, änderten die Gesellschafter sehr schnell die Geschäftsstrategie. Denn der lukrative Pay TV-Vertrag mit dem Sender Showtime musste bedient werden. Da bot es sich an, dass die unzähligen kleinen Produktionsfirmen wie Sidney Kimmel Entertainment, Bauer Martinez Studios oder Weinstein Company den neugegründeten Verleihapparat nutzen wollten. Beide Seiten profitierten davon auf dem Papier. MGM erhielt fertige Produkte, für die es eine Verleihgebühr erhielt. Die Produktionsfirmen mussten sich nicht um den eigenen Vertrieb kümmern und erhielten Zugang zum Pay TV-Markt.

Hinter dieser Umkehr von einer reinen Rechteverwertungsfirma und wieder hin zum Distributor von Unterhaltungsprodukten stand Harry E. Sloan. Drei Medienunternehmen stand er bisher vor: dem europäischen Fernsehkonzern SBS Broadcasting, dem Independent-Filmunternehmen Lions Gate Entertainment Corp. und dem heute nur noch als rechtliches Konstrukt im News Corp.-Konzern bestehendes Unternehmen New World Entertainment. Mit Fug und Recht dürfen Sloans Tätigkeiten in der Vergangenheit als erfolgreich bezeichnet werden.

Trotzdem war seine Ernennung im Jahr 2005 eine Überraschung. Laut Medienberichten beteiligte er sich auch an MGM, ohne das sein Anteil bisher benannt wurde. Unter dem Schlagwort MGM Executives werden 0,31 Prozent des Unternehmens der Führungsriege zugesprochen. Es ist davon auszugehen, dass es sich hierbei um Sloans Anteil handelt.

Nun spricht der neue alte Chef als mittelfristiges Ziel,

to create another page in the storied history of MGM is
the most exciting challenge I’ve had in my career. With the support of the
MGM Board, we’ve been able to make significant progress and I believe the
next three years will be a testament to the power, passion and creative
vision of our new management team. I look forward to working with the
members of the MGM Board to deliver on MGM’s promise and its future
expansion plans.

Und dann werden in der Pressemitteilungen unzählige Verdienste des CEOs aufgezählt, aus MGM wieder ein vollwertigen Produktions- und Verleihorganisation gemacht zu haben:

Dies liest sich erst einmal sehr toll. Diese Bewertung scheint auch in den unterschiedlichsten Medienberichten durch. Grundlage vieler dieser Berichte ist die offzielle Pressemitteilung. Nur ab und zu werden Sachverhalte ergänzt, doch insgesamt ist Sloans Vertragsverlängerung als Vertrauensbeweis der Firmeneigner anzusehen. So jedenfalls die Branchenpresse.

Doch sind die genannten Erfolge wirklich allein Sloan zu verdanken? Nein!

  • Mary Parent war schon eine sehr erfolgreiche Produktionschefin bei Universal Pictures, bevor sie ihre eigene Produktionsfirma gründete. Etwas muss sie natürlich bewogen haben, einen sicheren Hafen zu verlassen und das Risiko auf sich zu nehmen, mit MGM zu scheitern. Vertrauen, besser Hoffnung in die „goldenen“ MGM-Zukunft könnte es gewesen sein. Sie durfte bisher viele neue Projekte und Drehbücher erwerben. Auch gab sie dem ersten Film das Greenlight. Doch erst 2010 wird abzusehen sein, ob sich das goldene Händchen von Parent auszeichnen wird. Bis dahin können auch die MGM-Eigner wieder einmal ihre Strategie ändern. Denn das Filmgeschäft ist kostspielig. Außerdem hatte MGM im letzten Jahr das Problem, eine eigene hohe Kreditlinie nicht zu erhalten. Auch wenn Filme wie das „Fame“-Remake beispielsweise von anderen Firmen co-finanziert wird, kann dies nicht das einzige Mittel zur Kostenreduzierung sein. Denn dann sinken auch Gewinne, da mehr Partner ins Boot geholt wurden. Mit Relativity Media – die auch Universal Pictures- und Sony Pictures Entertainment -Filme mitfinanzieren wäre zwar ein potenter Geldgeber gefunden. Doch macht es überhaupt keine Sinn, das 23. James Bond-Abenteuer von diesem mitzufinanzieren und den Gewinn zu teilen.
  • Sloan speiste vier Stunden mit Peter Jackson und Fran Walsh. Danach kündigten MGM (hält die Verleihrechte), New Line Cinema (hält die Produktionsrechte) und die beiden Filmemacher zwei „The Hobbit“-Filme an. An Sloans Charisma kann es nicht gelegen haben, denn Jackson/Walsh vs. New Line Cinema war ein harter Kampf auf beiden Seiten. Einzig vorstellbares Lösungsmittel waren die potentiell hohen Einnahmen beider Filme, die alle schlechten Worte im Vorfeld vergessen liesen. Und Sloan hatte ein ureigenstes Interesse daran, beide Filmemacher mit ins Hobbit-Boot zu holen. Denn die „Herr der Ringe“-Prequels sind eine Lizenz zum Gelddrucken. Sloan als Mediator zwischen New Line Cinema und den filmemachenden Ehepaar war überhaupt nicht unbefangen. Schlimm wäre es, wenn Sloan nicht alles Mögliche versucht hätte, den Wert der Hobbit-Filme für MGM zu nutzen. Was jetzt aber kommt, darauf wird MGM wenig Einfluss haben. Außer dass das Filmestudio die Scheckbücher öffnen muss. Da wären wir aber wieder beim finanziellen Problem der MGM.
  • Sich einen Vertriebspartner zu angeln, der schon in den Jahren davor die MGM-Filmbibliothek in unterschiedlichen Verwertungsstufen auswertete ist nichts besonderes. Jedes andere international agierende Medienunternehmen hätte in Betracht gezogen können. Besonders die Time Warner-Filmabteilung beweist mit ihren Releases ein gutes Händchen für Filmklassiker im DVD-Markt. Und mit Universal Pictures International (UPI), Paramount Pictures International (PPI) sind nach der Trennung der United Pictures International (UIP) zwei weitere Akteure auf dem internationalen Filmmarkt aktiv, deren Vertriebsorganisationen ebenfalls gefüttert werden müssen. MGM-Produkte kämen auch hier in Frage.
  • Endlich im größten Fernsehmarkt der Welt einen Kanal zu besitzen, zeigt doch nur die Unfähigkeit der Vergangenheit. MGM hatte es verschlafen, es den großen Medienkonzernen nachzumachen. Time Warner kaufte Home Box Office (HBO) schon in den 1970er Jahren und verleibte sich 1996 die Turne Broadcasting Systems (TBS) mit den Sender CNN, TNT und Cartoon Network ein. Viacom fusionierte 1999 mit CBS. (Was 2005 wieder aufgehoben wurde.) Die News Corp. erwarb vor rund 20 Jahren Affiliates der Metromedia und die Walt Disney Company zahlte 19 Milliarden Dollar um ABC sein eigen zu nennen. Das der Fernsehmarkt aufteilt ist und neue Wettbewerber es sehr schwer haben, sich am Markt durchzusetzen, braucht wohl nicht erwähnt zu werden. Auch die internationalen Kanäle sind keine Errungenschaft des Sloanischen Handelns, sondern wurden konsequent ab Mitte der 1990er Jahre in den Staaten eingeführt, in denen MGM einen Großteil seiner Filmrechte im Pay TV-TV-Bereich wieder erlangte.

Auch können in den drei letzten Jahren einige Missgeschicke festgestellt werden:

  • Nur wenige Filme im Verleih der MGM konnten sich am Markt behaupten. Die neugegründete, unerfahrene Marketingabteilung hatte einen nicht unerheblichen Anteil daran. Zu den Erfolgen wie „1408“ (2007) mit einem US-Einspielergebnis von 72 Millionen, kommen eine Reihe von finanziellen Enttäuschungen wie „The Flying Scotsman“ (2007) mit schlappen Kinoerlösen von 171.000 Dollar.
  • Als Überflieger kann der James Bond- Film „Casino Royale“ (2006) bezeichnet werden, doch hielt MGM nur die weltweiten TV-Rechte allein und teilte sich den Gewinn mit Sony Pictures Entertainment. (Den größten Batzen erhält aber die Broccoli-Familie.) Wenn also MGM nur seinen Verleihapparat zur Verfügung stellt, der Film erfolgreich wird, kann trotzdem nur eine Verleihmiete in Rechnung gestellt werden. Werden Filme dann mit anderen Firmen gemeinsam produziert, teilt man das Risiko, aber auch den Gewinn.
  • Die MGM-Bibliothek ist ein konstanter Geldbringer und zar sowohl durch Fernsehlizenzen, als auch durch DVD-Verkäufe. Doch ist der Home Entertainment-Markt gesättigt und selbst die Theorie des langen Schwanzes wird von MGM noch nicht komplett befolgt. Denn dann wären nicht nur in jeder Pressemitteilung die Zahl von rund 4.100 Filmen in der eigenen Bibliothek genannt, sondern diese auch dem Zuschauer komplett zugänglich.
  • In die Filmbibliothek zu schauen und daraus die Perlen noch mal zu verfilmen ist ja gängige Praxis in Hollywood. Doch „Fame“, „Red Dawn“, „The Thomas Crown Affair“, „Robocop“ oder einen anderen Titel aus der MGM-Bibliothek zu aktualisieren, lässt die kreativsten Köpfe des Filmgeschäfts nicht unbedingt aufhorchen. Zwar werden dann die Original-Werke wieder ins Rampenlicht gerückt – genauso wie bei Fortsetzungen, die nur auf DVD erscheinen. Doch als Filmproduktionsunternehmen angesehen zu sein, müssen auch neue Stoffe entwickelt werden.
  • Durch Lizenzierung von MGM-Rechten für Vergnügungsparks lässt sich Geld einnehmen, doch kann damit die Dominanz der Walt Disney- und Universal Studios-Themenparks auch nicht mehr aufgehoben werden. Außerdem sind auch andere Medienunternehmen auf den gleichen Trichter gekommen.
  • Genauso spät stieg MGM in den Bereich der Musicals ein und verschlief es frühzeitig, seine Filmbibliothek am Broadway auszuwerten, Aufmerksamkeit für die Quellen der Musicals zu wecken und somit auch Kaufentscheidungen zu provozieren.

Wenn Harry E. Sloan immer auf die Tradition des Unternehmens anspielt, schwingt die Hoffnung mit, wieder mehr Stars als Sterne am Himmel im eigenen Studio zu haben. Doch MGM war in den letzten Jahrzehnten kein Hort für visionäre Filmemacher. Ein Louis B. Mayer hatte in den ersten Jahrzehnten des Bestehens des Filmstudios die gesamte Verwertungskette – von der Produktion bis zum Kinotheater – in einer Hand und besaß eine hohe Markt macht.

Der Medienwandel verkleinerte die Bedeutung des Kinofilms hingegen. Die internationalen Medienunternehmen besitzen heute nicht nur Filmstudios, sondern auch Fernsehsender mit angeschlossener Produktionsabteilung, engagieren sich im Internet und teilweise auch in medienfremden Märkten wie die Bertelsmann-Tochter Arvato. MGM ist einer der wenigen reinen Filmproduktionsunternehmen. Von Synergieeffekten wie im Walt Disney-Konzern kann das Maskottchen Leo, der Löwe nur träumen. Gerade deshalb wäre eine Fusion mit anderen kleinen Medienunternehmen eine der wenigen Alternativen, um MGM wieder zur alten Blüte aufgehen zu lassen.

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4 Antworten to “Warum MGM-Chef Harry E. Sloan nicht in Louis B. Mayers Fußstapfen schlüpfen kann”

  1. Seit zwei Jahren NEU: United Artists unter der Ägide von Tom Cruise « Medien-Monopoly Says:

    […] und TPG, aber auch die Sony Corporation (wohl eher widerwillig) unterstützten den neuen Chef Harry E. Sloan dabei, den Kinofilmverleih in den USA von Grund auf aus dem Boden zustampfen. Außerdem stimmten […]

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  4. Ein Einführungskurs in die Kinowirtschaft, bitte! « Medien-Monopoly Says:

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